Die historischen Wurzeln des deutschen Föderalismus, der Gesetzgebungsprozess und die Zukunft der Energieversorgung

Dritter und vierter Programmtag des 5. International Diplomats Programme in Berlin

Datum
20 - 21 Juni 2013
Uhrzeit
-
Ort der Veranstaltung
Berlin, Deutschland
Einladungstyp
Nur für geladene Gäste

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Der Tag begann mit einem Besuch im Bundesministerium für Verteidigung, bei dem Flotillenadmiral Thorsten Kähler einen Überblick über die wichtigsten aktuellen Bedrohungen und globalen Herausforderungen aus Sicht der Bundeswehr gab und die Prioritäten der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik umriss. Dabei wies er auch auf die historische Bedeutung des “Bendlerblockes” hin, in dem das Ministerium sich befindet, und wo eine Widerstandsgruppe von Offizieren das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 geplant hatte und später hingerichtet wurde. Er betonte, dass die heutige Bundeswehr sich in der Tradition dieser Widerstandsbewegung sehe. Auch die bis heute relativ starke deutsche Zurückhaltung in militärischen Fragen und die weitverbreitete Skepsis in der Bevölkerung gegenüber Auslandseinsätzen der Bundeswehr, denen in Deutschland das Parlament  zustimmen muss, sei vor dem Hintergrund der blutigen deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts zu sehen. Entsprechend dem in der Verfassung verankerten Grundsatz der “gegenseitigen kollektiven Sicherheit” agiere die Bundeswehr heute stets im Rahmen der verschiedenen militärischen Allianzen, in die sie eingebunden ist.

Während des Mittagessens hatten die Teilnehmer Gelegenheit, aktuelle innenpolitische Entwicklungen, insbesondere die bevorstehenden Bundestagswahlen, mit einem der prominentesten politischen Journalisten Deutschlands, dem Leiter und Chefredakteur des ARD Hauptstadtstudios Ulrich Deppendorf, zu diskutieren.

Die Besonderheiten des deutschen föderalen Systems, sowie seine historischen Wurzeln, wurden während der anschließenden Besuche im Bundestag und Bundesrat thematisiert. Das föderale System der Bundesrepublik wurde nach dem Zweiten Weltkrieg etabliert, um ein erneutes Abgleiten in ein autoritäres System in Zukunft zu verhindern. Nach einer Führung durch das Gebäude erläuterte die Stellvertretenden Direktorin des Bundesrates, Ministerialdirektorin Dr. Ute Rettler, die Rolle des Bundesrates im Gesetzgebungsprozess und berichtete von der manchmal schwierigen Aufgabe, im Vermittlungsausschuss einen Kompromiss zwischen verschiedenen Interessen und Positionen auszuhandeln.

Im Bundestag gab es anschließend Gelegenheit zur Diskussion mit dem Vizepräsidenten des Parlaments Dr. Hermann Otto Solms, der den Teilnehmern die Charakteristika des deutschen Bundestages erläuterte, der, wie er betonte, im globalen Vergleich mit relativ viel Macht ausgestattet sei. Dazu gehöre z.B. die Tatsache, dass die Bundeswehr als “Parlamentsarmee” nur mit Zustimmung des Bundestages außerhalb des NATO-Gebietes eingesetzt werden darf. Auch im Zuge der Eurokrise habe die starke Position des Parlamentes eine wichtige Rolle gespielt, da die Bundeskanzlerin ohne seine Zustimmung keine finanziellen Zusagen machen konnte.

Zum Abschluss des dritten Programmtages wurden die Vorteile und Herausforderungen des deutschen föderalen Systems mit Prof. Kai Wegrich diskutiert. Nach Einschätzung des Professors für Öffentliche Verwaltung und Public Policy an der Hertie School of Governance ist das deutsche System nicht besonders gut geeignet für durchschlagende strategische Richtungswechsel, sondern bietet eher Mechanismen für langsamen und schrittweisen Wandel.

Auch bei der Exkursion in die nördlichen Bundesländer Hamburg, Niedersachsen und Bremen zwei Wochen später stand das Thema Föderalismus noch einmal auf der Tagesordnung. Wolfgang Schmidt, Staatsrat der Hamburger Senatskanzlei und Bevollmächtigter beim Bund, bei der Europäischen Union und für auswärtige Angelegenheiten, erläuterte die Besonderheiten Hamburgs als Stadtstaat sowie seine Bedeutung als Deutschlands größter Hafen und damit „Fenster zur Welt“. Die beeindruckende Größe und logistische Kapazität des Hamburger Hafens, inklusive des weltweit modernsten Containerterminals, konnten die Teilnehmer bei einer anschließenden Hafenrundfahrt mit Kapitän Fritz-Wilhelm Jensen hautnah erleben.

Hamburgs Bemühungen, seine Position in der Konkurrenz mit anderen europäischen Häfen wie Rotterdam und Antwerpen zu behaupten, birgt allerdings auch Konfliktpotential, wie die Gruppe bei einem Besuch in Otterndorf erfuhr, einer Kleinstadt die unmittelbar an der Mündung der Elbe liegt. Um den Hamburger Hafen zu erreichen, müssen Schiffe von der Nordsee aus etwa 100 km flussaufwärts fahren. Um die Durchfahrt immer größerer Containerschiffe zu ermöglichen, ist die Elbe schon mehrfach vertieft worden. Während die Stadt Hamburg und die Bundesregierung momentan ein weiteres Elbvertiefungsprojekt vorantreiben, wehren sich mehrere betroffene Gemeinden sowie zivilgesellschaftliche Organisationen gegen das Vorhaben, da sie negative Auswirkungen auf das Ökosystem sowie eine existentielle Bedrohung der unmittelbar am Fluss liegenden Ortschaften befürchten.

Neben seiner Bedeutung als logistischer Knotenpunkt und Industriestandort ist Hamburg auch ein Zentrum der Medienproduktion in Deutschland. Bei einem Besuch in der Redaktion des SPIEGEL unterhielten sich die Teilnehmer mit Auslandsressortleiter Clemens Höge über redaktionelle Strategien und Entscheidungen, wie etwa die erste türkischsprachige Titelgeschichte, die anlässlich der Demonstrationen in der Türkei für die bevorstehende Ausgabe vorbereitet wurde.

Ein Besuch in Cuxhafen stand anschließend ganz im Zeichen der Windenergie. Ursprünglich auf Fischerei und Tourismus ausgerichtet, wurde Cuxhafen in den letzten Jahren zu einem wichtigen Standort für den Ausbau von Offshore-Windenergie-Parks in der Nordsee. Bei einem Rundgang durch die Werkshallen der AMBAU GmbH, die Stahltürme und Fundamente für Offshore-Windparks herstellt und einem anschließenden Gespräch konnten sich die Teilnehmer über diese neuen Technologien, den Prozess ihrer Zertifizierung und die deutsche „Energiewende“ im Allgemeinen informieren.

Am Alfred Wegener Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven stellte Professor Dieter Wolf-Gladrow einige aktuelle Forschungsprojekte und –ergebnisse der Institutsmitarbeiter vor. Wie reagieren die Polarregionen auf den Klimawandel? Was können wir aus den Dynamiken der Zwischeneiszeit vor 130 000 Jahren lernen? Und könnte “climate-engineering”, z.B. durch die künstliche Stimulierung des Algenwachstums in den Ozeanen eine Lösung für das Problem der globalen Erwärmung bieten?

Der zweite Exkursionstag wurde mit einem Besuch im Deutschen Auswandererhaus Bremerhaven abgeschlossen, einst einer der wichtigsten Häfen, von dem aus Emigranten aus Deutschland ihre Schiffspassage nach Übersee antraten. Mit seinem interaktiven Konzept, das vor allem die Biographien einzelner Migranten in den Mittelpunkt stellt, bot die Ausstellung lebendige Einblicke in die deutsche Emigrations- und Immigrationsgeschichte.

Das International Diplomats Programme ist eine Initiative des Auswärtigen Amts und der BMW Stiftung Herbert Quandt, die mit Unterstützung der DGAP durchgeführt wird. Jährlich werden bis zu 14 Diplomatinnen und Diplomaten aus dem Nahen und Mittleren Osten, Nordafrika, Süd-, Ost- und Südostasien eingeladen, Deutschland in dem einjährigen englischsprachigen Programm aus vielfältigen Perspektiven zu erleben. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an 1-da-r@diplo.de oder besuchen Sie uns auf facebook: www.facebook.com/TrainingForInternationalDiplomats.

Zielgruppe
Veranstaltung Forschungsprogramm