Terrorgruppen als Unternehmer

Diskussion in der DGAP über die illegale Vernetzung gewaltbereiter Gruppen

Datum
25 Februar 2015
Uhrzeit
-
Ort der Veranstaltung
DGAP, Berlin, Deutschland
Einladungstyp
Nur für geladene Gäste

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Extremistische Gruppierungen und nichtstaatliche Akteure gehören zu den wichtigsten Mitspielern in Krisengebieten von Afrika über den Nahen Osten bis nach Zentralasien. Sie sind heute durch enge Vernetzung mit dem organisiertem Verbrechen und korrupten staatlichen Strukturen noch leistungsfähiger geworden. Dies unterstreicht den grenzübergreifenden Charakter solcher Terrorgruppen.

Ein anderer gefährlicher Aspekt dieser Vernetzung sind ausländische Kämpfer, die etwa in Syrien für den sogenannten Islamischen Staat (IS) aktiv werden und sich auf Wanderschaft zwischen den Konflikten bewegen. Auch sie sorgen für Finanzmittel und Spenden. Nach ihrem Einsatz können Sie das Gewaltpotenzial in ihre Heimatländer zurücktragen. Eine wichtige Front in der Auseinandersetzung mit den Extremisten liegt also hier bei uns.

Aktuell arbeiten Bundesregierung und Bundestag mit Hochdruck an weiteren Antiterror-Gesetzen, mit denen Reisebeschränkungen und eine Vorfeldbekämpfung der Terrorfinanzierung möglich werden sollen. Die Debatte zwischen Politikwissenschaftlern und Juristen zu diesem Themenkomplex kam also zur rechten Zeit.

Louise I. Shelley ist Professorin an der George Mason University in Fairfax, Virginia. Sie ist Gründerin und Direktorin des dortigen Terrorism, Transnational Crime and Corruption Center. Als eine der führenden Expertinnen über internationalen Terrorismus und organisiertes Verbrechen betreibt sie globale Forschung zur Verknüpfung der illegalen Sphären.

Bei der DGAP stellte sie die These ihres jüngsten Buches vor, Dirty Entanglements: Corruption, Crime, and Terrorism (Cambridge University Press 2014): Extremistische Gruppierungen stellen sich heute strategisch wie Unternehmen auf und vernetzen sich. Der Begriff des „entanglement“ ist dabei aus der Partikelphysik entlehnt: Systeme treten in Interaktion ein, die sie selbst wieder verändert. Extremistische Gruppierungen wie der Islamische Staat oder Boko Haram verfügen auch über Geschäftsmodelle, die ihre Finanzierung durch kriminelle Aktivitäten sichern. Shelley verglich das Geschäftsmodell der Taliban, das auf der Drogenwirtschaft beruht, mit dem deutlich diversifizierteren des IS. Nur noch die Hälfte seiner Einkünfte käme aus dem Ölschmuggel, andere wichtige Quellen seien der Zigarettenschmuggel, der Handel mit gefälschten Markenwaren, gefälschten Pässen und Antiquitäten. Sie beschrieb auch, wie Hisbollah mit illegalen Medikamenten wie dem Aufputschmittel Captagon enorme Profite macht.

Für den Erfolg der extremistischen Gruppierungen ist aber nicht nur Geld von Bedeutung, sondern auch ihre administrativen Fähigkeiten. Diese ermöglichen es ihnen, soziale Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen und staatliche Verantwortung in den Gesellschaften zu übernehmen, die sie unter ihre Kontrolle gebracht haben. Die Vernetzung mit korrupten staatlichen Strukturen ist dabei eine wichtige Säule ihrer Machtabsicherung.

Ein Kampf gegen diese Gewaltgruppen kann, so Shelley, deswegen nicht alleine mit militärischen Mitteln geführt werden: Vielmehr benötigt der Westen die Fähigkeit zu einer komplexen Netzwerkanalyse der neuen Risiken und die Bereitschaft zu umfassenderen Gegenstrategien, die eben auch die wirtschaftlichen Aspekte einbeziehen. Auch muss die Toleranz gegenüber korrupten Regimen aufhören.

Dieser Analyse stellte einer der führenden deutschen Strafrechtler einen Kommentar zu aktuellen Gesetzesänderungen entgegen. Professor Dr. Ulrich Sieber ist Direktor am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg im Breisgau und lehrt dort und in München. Er beschrieb den schwierigen Balanceakt, bei der anstehenden Reform des Gesetzes zur Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten (GVVG) neues Sicherheitsrecht zu schaffen. Dies muss die Sicherheitsbedürfnisse einer globalisierten Risikogesellschaft aufnehmen, rechtsstaatliche Schutzmechanismen aber in Kraft lassen. Eine solche Herausforderung betrifft nicht nur das Strafrecht, sondern auch das Geheimdienst- und Polizeirecht und in extremen Fällen auch das Kriegsrecht.

In der Entwicklung eines präventiven Strafrechts gehe es um die Vorverlagerung der Strafbarkeit. Schon jetzt gibt es die Strafbarkeit des Versuchs von Straftaten, der entsprechenden Informations- und Materialbeschaffung oder der Unterstützung krimineller Vereinigungen. Es sei aber nicht vorstellbar, dass schon die Planung eines Verbrechens oder Alltagshandlungen in diesem Zusammenhang strafbar gemacht würden. Sieber wies auf internationale Vorgaben durch die Vereinten Nationen, die EU oder die Financial Action Task Force hin (FATF, ein zwischenstaatliches Gremium, dessen Sekretariat bei der OECD angesiedelt ist) – diese hätten zwar Bindungskraft, jedoch wenig demokratische Legitimation. Deutschland stehe bei der Umsetzung der internationalen Vorgaben mittlerweile wieder relativ gut da, nachdem es eine Zeit lang bei den Prüfungen durch die FATF Probleme gegeben habe.

Bei der jetzigen Novellierung des GVVG gehe es darum, bei der Terrorfinanzierung bereits das Ein- und Ansammeln von Spendenmaterial strafbar zu machen, wenn das Wissen vorliege, dass strafbare, terroristische Handlungen mit dem Spendengeld umgesetzt werden sollten.

In der Diskussion ging es vornehmlich um die Bewertung verschiedener Aktivitäten extremistischer Gruppierungen, die auch nicht nur im illegalen Bereich stattfinden. Dabei macht es der hybride Charakter von Organisationen wie etwa Hisbollah besonders schwer, bei Finanzierungen den Vorsatz der Terrorunterstützung festzumachen. Gerade mit Blick auf den Bürgerkrieg in Syrien und Irak ist die Versuchung groß, Gruppierungen wie die PKK aufzuwerten, die eine positive Rolle im Kampf gegen den IS spielen. Einige kurdische Gruppierungen sind aber auch im Bereich der organisierten Kriminalität aktiv. Illegale Netzwerke können im Übrigen für verschiedene Arten von Schmuggel und illegalem Handeln genutzt werden, darauf wies Shelley hin.

Im Kampf gegen Kriminalität, Korruption und Terror gibt es auch eine Eigenverantwortung der Wirtschaft, die im Außenhandel Geschäfte mit Unternehmen in der Grauzone zwischen kriminellen Organisationen und korrupten staatlichen Strukturen betreibt. Teilnehmer diskutierten das Instrument der Selbstüberprüfung der „compliance“, also des regelkonformen Verhaltens, nach dem Grundsatz „know your customer“. Die Aufstellung von Tabu-Listen von kriminell aktiven Unternehmen wurde als sehr „amerikanisch“ und nicht zielführend beschrieben – durch neue Firmengründung ließe sich ein solcher Bann leicht umgehen.

Dr. Henning Riecke, Programmleiter USA/Transatlantische Beziehungen an der DGAP moderierte die Sitzung.

Wir bedanken uns bei Philip Morris International für die Unterstützung bei der Ausrichtung dieser Veranstaltung.

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