Report

10. Juli 2025

German-American Initiative on Influencers, Disinformation and Democracy in the Digital Age

Ein transatlantisches Labor für digitale Öffentlichkeit, Vertrauen und Demokratie
Dr. Katja Muñoz
Visual German-American Initiative Report

Influencer prägen längst mehr als Trends: Sie beeinflussen Debatten, Meinungen und letztlich demokratische Prozesse. Die German-American Initiative ging der Frage nach, wie Content Creators oder Creator:innen zur demokratischen Resilienz beitragen oder Desinformation verstärken und wie wir darauf reagieren sollten. Drei Jahre hat die DGAP dazu geforscht. Ein Projektbericht.

Im Folgenden finden Sie den Einstieg in den Projektbericht. Den vollständigen Bericht lesen Sie im PDF hier bzw. rechts.

 

Drei Jahre lang arbeiteten 48 Creators aus Deutschland und den USA gemeinsam mit Politik, Wissenschaft und Tech-Branche an dieser Herausforderung. Die Initiative entwickelte praktische Handlungsempfehlungen für Politik, Plattformen und Zivilgesellschaft und schuf ein nachhaltiges transatlantisches Netzwerk. Die drei veröffentlichten Policy Briefs bieten Orientierung für die demokratische Gestaltung digitaler Öffentlichkeiten.

Drei Jahre – drei Themenzyklen

2022/23: Demokratie & Covid-19 
Wie haben Influencer während der Pandemie Vertrauen aufgebaut – oder verspielt? Welche Rolle spielt „strategische Authentizität“ in der Verbreitung von Desinformation?

2023/24: Klimakrise, NATO & KI
Wie lassen sich Reichweite, Algorithmen und Netzwerke orchestrieren? Wie funktioniert kollektive Online-Mobilisierung durch Influencer – und wer nutzt sie wofür?

2024/25: Migration, Minderheitenrechte & digitale Identitäten
Was bedeuten fragmentierte Plattformlandschaften, KI-Avatare und hybride Identitäten für demokratischen Diskurs? Wo verlaufen neue Linien zwischen Mensch und Maschine?

Gesamtergebnisse und Wirkung

Die dreijährige Initiative hat substanzielle Ergebnisse auf mehreren Ebenen erzielt und einen bedeutenden Beitrag zum Verständnis der Rolle von Influencern in demokratischen Prozessen geleistet.

Handlungsempfehlungen für Politik und Regulierungsbehörden

Regulierungsbehörden sollten Systeme entwickeln, die sich auf Verbreitungsmechanismen und koordinierte Kampagnen konzentrieren und nicht nur prioritär auf die Inhalte. 

Plattformen sollten zu mehr Transparenz bezüglich ihrer Algorithmen verpflichtet werden, um die strategische Manipulation von Reichweite erkennbar zu machen. 

Angesichts der zunehmenden KI-Integration in sozialen Medien ist eine Neudefinition digitaler Rechte erforderlich, die den Schutz der Privatsphäre, Transparenz bei KI-generierten Inhalten und Nutzerautonomie in den Mittelpunkt stellt. 

Die Politik sollte Rahmenbedingungen schaffen, die dezentrale Alternativmodelle zu den großen Plattformen fördern und Interoperabilität zwischen verschiedenen Diensten ermöglichen. 

Die Einstufung sozialer Medien Plattformen als kritische Infrastruktur wäre eine Möglichkeit, höhere Compliance-Standards einzufordern. Die derzeit fragmentierte Verteilung von Zuständigkeiten für digitale Themen auf verschiedene Behörden sollte zugunsten einer stärkeren Zentralisierung oder zumindest einer besseren Koordinationsmechanismen überdacht werden.

Für Plattformen

Plattformen sollten bei der Gestaltung ihrer Algorithmen stärker auf ethische Aspekte wie Fairness, Transparenz und die Verhinderung künstlicher Verstärkungseffekte achten. 

Die Entwicklung nutzerzentrierter Moderationssysteme, die Community-Standards reflektieren und gleichzeitig Meinungsvielfalt fördern, sollte vorangetrieben werden. 

Klare Kennzeichnungen für KI-generierte Inhalte und KI-Influencer sollten standardmäßig implementiert werden, um Transparenz zu gewährleisten.

Influencer und zivilgesellschaftliche Akteure

Die Selbstorganisation von Influencern in berufsständischen Verbänden könnte zur Etablierung ethischer Standards und zur stärkeren Interessenvertretung in regulatorischen Prozessen beitragen. Die im Projekt identifizierten Best Practices für den Umgang mit schwierigen Online-Umgebungen – wie authentische Kommunikation, lokaler Fokus und aktionsorientierte Inhalte – sollten weiterverbreitet werden. Influencer sollten die Verbindung zwischen digitalen Diskursen und lokalen, physischen Realitäten stärken, um der zunehmenden Virtualisierung entgegenzuwirken. Die Bildung strategischer Allianzen zwischen Influencern, traditionellen Medien und zivilgesellschaftlichen Organisationen könnte die demokratische Resilienz stärken.

Perspektiven für die Zukunft

Die Zukunft sozialer Medien wird maßgeblich davon abhängen, wie die Balance zwischen technologischer Innovation und menschlicher Verbindung gestaltet wird. Es geht nicht um eine binäre Entscheidung zwischen Mensch oder KI, zentralisiert oder dezentralisiert, sondern um ein Gleichgewicht, bei dem Technologie die authentische menschliche Kommunikation unterstützt. Die nachhaltige Stärkung demokratischer Prozesse im digitalen Raum erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der regulatorische Maßnahmen, technologische Innovation und zivilgesellschaftliches Engagement vereint. Die im Projekt entwickelten Konzepte und etablierten Netzwerke bieten dafür eine wertvolle Grundlage.

Strukturelle Projekterfolge

Ein herausragender Erfolg des Projekts war die Etablierung eines belastbaren transatlantischen Netzwerks von 48 Influencern mit dauerhaften Verbindungen zwischen Influencern aus Deutschland und den USA. 

Das Projekt entwickelte eine einzigartige Workshop-Methodik, die implizites Wissen über Plattformmechanismen explizieren und für die Analyse von Manipulationsstrategien nutzbar machen. 

Durch die Integration von Influencern, Experten aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft sowie Vertretern von Tech-Unternehmen gelang es dem Projekt, einen multidimensionalen Blick auf das komplexe Phänomen der Einflussnahme in sozialen Medien zu entwickeln. 

Die Initiative etablierte ein innovatives Modell der Zusammenarbeit zwischen staatlichen Akteuren, Influencern und Zivilgesellschaft, das als Blaupause für zukünftige Kooperationen im Bereich der digitalen Demokratieförderung dienen kann.

Strukturelle und konzeptionelle Wirkung

Die Initiative hat drei zentrale Konzepte entwickelt und ausgearbeitet:

  1. Das Konzept der strategischen Authentizität beschreibt, wie Vertrauen gezielt für die Verbreitung bestimmter Narrative genutzt werden kann. Es erklärt, warum Influencer besonders wirksame Vermittler von Information und Desinformation sein können.

  2. Das Phänomen der engineered collective mobilization beschreibt die strategische Manipulation des Informationsraums durch koordinierte Aktionen. Die Dokumentation der Plattform-Expertise und koordinierter Kampagnen ermöglicht Ansätze zur Früherkennung manipulativer Aktivitäten.

  3. Die Systematik hinter der KI-Influencer-Taxonomie ermöglicht eine differenzierte Diskussion über Chancen und Risiken verschiedener KI-Anwendungen im Bereich digitaler Kommunikation.

Vision: Demokratie in der digitalen Sphäre stärken

Die digitale Transformation hat unsere Öffentlichkeit grundlegend verändert. Mit dem Aufstieg sozialer Medien haben sich neue Akteure etabliert, die erheblichen Einfluss auf den gesellschaftlichen Diskurs nehmen: Influencer. 

Diese digitalen Meinungsmacher haben sich von reinen Unterhaltungs- und Lifestyle-Figuren zu relevanten politischen Stimmen entwickelt. Ihre Reichweite und ihr Mobilisierungspotenzial sind zunehmend auch für demokratische Prozesse von Bedeutung. Gleichzeitig entstehen in diesem dynamischen Umfeld neue Möglichkeiten für Desinformation und strategische Manipulation, die demokratische Institutionen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden können. 

Die „German-American Initiative on Influencers, Disinformation and Democracy in the Digital Age“ wurde im Juni 2022 ins Leben gerufen, um dieses komplexe Phänomen besser zu verstehen. Das Projekt entwickelte Handlungsempfehlungen für Politik, Plattformen und Zivilgesellschaft. Über einen Zeitraum von drei Jahren brachte die Initiative Influencer aus Deutschland und den USA mit Experten aus Wissenschaft, Politik, Zivilgesellschaft und Tech-Unternehmen zusammen.

 

Das Projekt wurde durch das Transatlantik-Programm der Bundesrepublik Deutschland aus Mitteln des European Recovery Program (ERP) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWE) gefördert. Das Projektteam dankt für die großzügige Förderung.

Bibliografische Angaben

Muñoz, Katja. “German-American Initiative on Influencers, Disinformation and Democracy in the Digital Age.” German Council on Foreign Relations. July 2025.

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